27.03.2025, Marco Puttkammer

Hörempfehlung:
Gengahr - Red Sun Titans


Wenn Geister zum Träumen einladen

Alternatives Coverartwork Red Sun Titans
Alternatives Coverartwork Red Sun Titans

Als Gengahr bereits vor Erscheinen ihres Debüts A Dream Outside für das Glastonbury '14 gebucht wurden, erhoben sich kühne Stimmen, die in der vierköpfigen Psychedelic Pop-Gruppe die „Rettung der britischen Gitarrenmusik“ sahen. 8 Jahre später erschien ihr aktuelles Album Red Sun Titans und zeigte deutlich, woher diese Stimmen kamen, auch wenn sich die Band, die nach einem Geist-Pokémon der ersten Generation benannt ist, weiterentwickelt hat und heute eher dem Dream-Pop zuzuschreiben ist.

Natürlich findet sich auf Red Sun Titans wieder so manch feiner Saitenschlag, doch verschwimmt die Grenze zwischen Gitarre und Synth. Für das ungeübte Ohr sind die grundsätzlich verzerrten, entfremdeten und aller Regel nach unüblichen Klänge nur schwer einem Instrumententypus zuzuordnen. Gitarrenmusikrettung ist das ganz sicher nicht, dafür aber phänomenal gut. Die Tracks auf Red Sun Titans wollen eingängig sein, aber nicht langweilen. Sie mögen stellenweise reizüberfluten und regen doch zum Träumen an. Wer sich nicht bereits in den teils ätherischen Instrumentals verliert, wird spätestens durch die selten profanen Lyrics auf Reisen geschickt.

Outshone
Heaven grieved
Acces denied
Unwound
A jealous decree
Unusually loud

- Alkali

In the light you say
Here's to the one I don't wanna be
For the righteous game
Heels to the moon now

- Heels To The Moon

Red Sun Titans bietet poppige Hits ebenso wie experimentelle Soundscapes, regelmäßig durchbrochen durch Interludes, die teilweise irritieren sollen und die Brücke zur angesprochenen Geist-Thematik schlagen. Nicht nur aufgrund Titel wie "Haunted Spaces - Interlude". Über allem thront aber vor allem diese fragile Melancholie. Egal womit sich die Songs nun beschäftigen, egal ob Upbeat oder Ballade - jeder Track vermag eine wohlige tröstende Wärme auszulösen - trotz teilweise beunruhigender Lyrics.

Can't stop too long
Out here they kill to belong
Got cash to burn
In a car they don't make anymore

- Napoleon

Wer sich bis hier hin noch gewehrt hat und am Hier und Jetzt festhält, erhält mit dem Albumcloser "Collapse" dann die finale Einladung, sich fallen zu lassen und den Trubel des Alltags für einen Moment zu vergessen. Letztlich ist es doch genau das, was wir aktuell brauchen - im Gegensatz zur Rettung britischer Gitarrenmusik.

11.02.2025, Jacob Wölk

Hörempfehlung:
George Houston - Vehicular Suicide


Eine energetisch-enigmatische alte Seele im Konflikt mit der Liebe und der Grenze zwischen Anbetung und Aufopferung.

Coverartwork Vehicular Suicide
Coverartwork Vehicular Suicide

Der junge Singer-Songwriter aus Donegal, Irland überzeugt mit beeindruckend ausgereiftem und informiert klingendem Sound und erzählt dabei Geschichten von der Liebe und ihrem Talent das Individuum und die Paare, die ihr verfallen durch sämtliche Ebenen des Fühlbaren zu katapultieren. Dass Houston viel Zeit mit dem Studieren der elterlichen Plattensammlung verbracht hat, ist etwas das man seiner Musik sehr genau anhören kann, denn aufmerksame HörerInnen merken schnell – dieser Typ weiß genau, was er tut.

Beschreiben könnte man das als eine Art „eklektischer Indie-Folk-Pop“ oder so ähnlich, ist aber ja auch total nebensächlich. Denn wichtig ist, es funktioniert und weiß zu begeistern. Einflüsse bahnen sich an, sowohl aus Strömungen von intelligent durchdachtem Folk-Songwriting, eingängigen, zum Bewegen anstiftenden Pop-Elementen als auch einer Aura von amerikanischem Country à la Johnny Cash oder Hank Williams, verpackt in einem modernen Gewand, welches dann trotzdem irgendwie so klingt als käme es aus den Sechzigern zu uns. Mit dem titelgebenden Song „Vehicular Suicide“ und „Pain“ wirft Houston uns zwischen Wahnsinn und Schmerz direkt sehr energetisch in medias res und fast wirkt es als würde seine markant-volle Stimme über die Musik tanzen. Habe ich schon erwähnt dass seine Musik auch ganz schön weird ist? Denn das ist gar nicht mal so unwichtig... wie entschuldigungslos und befreit der Ire musiziert und seine Gedanken zum Ausdruck bringt ist einfach erfrischend ehrlich.

I bet life’s oh so pleasant
Kicking back in your antidepressants
Just wish they didn’t change the way
You feel about me
Wishful thinking
That’s my thing...

(In Aeternum Vive)

Etwas melancholischer wird es darauf mit „In Aeternum Vive“, der Single, die mich damals überhaupt erst auf George Houston aufmerksam gemacht hat. Es ist nicht immer so einfach zu sagen, was genau einem an einem bestimmtem Song so gut gefällt, dass man ihn immer und immer wieder hört, bis man zu vergessen scheint dass es eine Zeit im Leben gab, bevor er ein Teil davon wurde. Wahrscheinlich habe ich mich damals einfach sehr verstanden gefühlt, von diesem Lied, in welchem die Schwierigkeiten zweier sich liebender Menschen mit der Zuneigung füreinander kontrastieren und sie dazu zwingen zu überdenken, wie gut beide wirklich füreinander sind. Welche Auswirkungen eine solche Beziehung haben kann zeigen auch die nächsten Songs „RedruM“, der thematisch und stilistisch an eine klassische Murder Ballad erinnert und „White Fang“, in dem versucht wird voneinander loszulassen, um sich nicht noch mehr zu schaden.

Cause that’s all that I need –
Another fucking love song
And cherubs shitting on me...

(Oh Happy Dagger)

Dass auch Entscheidungen, die für das einvernehmlich Gute oder zumindest „Bessere“ getroffen werden schmerzen können, hören wir in „Oh Happy Dagger“, bevor wir in „Roots Grow Out“ so langsam wieder zu lernen beginnen, dass die Welt unter dem ganzen Schmerz immer noch ihre schöneren Seiten hat, die einen fast dazu verleiten könnten wieder etwas optimistischer in die Zukunft zu blicken:

It’s still there – the sun is still shining...
(Roots Grow Out)

Insgesamt ist George HoustonsVehicular Suicide“ ein weiteres Argument dafür sich ab und zu die Zeit zu nehmen einem Album die Chance zu geben es in Gänze durchzuhören und sich im Gesamtkontext zu entfalten.

Am Ende noch ein Tipp: Die neue Single „San Francisco“ von George Houston erscheint am 14. Februar.

17.12.2024, Marco Puttkammer

Hörempfehlung:
Darwin Deez (Diskografie)


Eine ungewöhnliche Empfehlung für einen ungewöhnlichen Künstler

Coverartwork Of Course I Still Love You
Coverartwork Of Course I Still Love You
  1. OK Bommerang
  2. The Numbers
  3. Caroline
  4. Mush Machine
  5. Wondermaker
  6. Placeholder
  7. Goldmine
  8. Sophie Softly
  9. Always There
  10. You Never Know

Musik ist Kunst, doch das vergisst man allzu oft. Zumeist dann, wenn man eine Reihe belangloser und formelhaft geschriebener "Bloß-nicht-anecken-Pop-Songs" hören musste. Man erinnert sich aber auch wieder daran, wenn man die musikalischen Ergüsse von Künstler*innen wie Darwin Deez hört. Anlässlich seines neuen Albums Of Course I Still Love You ist es doch höchste Zeit, mal genauer hinzuhören. Nicht nur in das inzwischen fünfte Album, sondern in die gesamte Diskografie.

Was also macht diese so besonders oder anders, dass ich hier das bedeutungsschwangere Wort "Kunst" verwende? Zunächst halten wir fest: Darwin Deez trifft die ungewöhnlichen Entscheidungen. Seine Songs verlangen viel Aufmerksamkeit und Toleranz gegenüber wilden Melodien und schon fast anstrengenden Sounds. Vielleicht braucht es sogar 2-3 Hördurchgänge bis es klickt, aber wenn es das tut, dann richtig. Das Hauptinstrument ist der Synthesizer, aber in einer selten zu hören Art. Er springt, klimpert und hat so viel zu erzählen, doch leider darf er das gar nicht, denn die Inhaltsebene wird restlos durch die Lyrics bespielt. Sätze wie "I'm debating with the buzzer whether to buzz or not" (The Numbers) oder "I'm orbiting your waist throughout the day, so maybe love is orbital decay" (The World's Best Kisser) erzeugen klare Bilder und sind doch so angenehm selten gehört. Die Musik von Darwin Deez kitzelt das Gehirn in der genau richtigen Weise, wenn man sie denn lässt.

Naturgemäß lassen sie das aber die wenigsten und so kommt es, dass sich Darwin Deez mit einer zwar treuen aber kleinen Fanbase begnügen muss. Für die Fans mag das vielleicht sogar eine gute Sache sein, doch erscheint es wie so oft einfach ungerecht. Immerhin erzielte Deez mit seinem Erstling "Darwin Deez" von 2010 einigermaßen beachtliche Erfolge und Songs wie "Constellations" oder "Radar Detector" verlassen den Gehörgang nach dem Hören nur mit Gewalt.

Darwin Deez ist nischig und seine Musik wird bei einigen kaum gehört abprallen, doch es lohnt sich wirklich einen zweiten Blick zu riskieren. Die Hörempfehlung soll also Diskografie-umfassend sein, jedoch stelle ich hier mal das neue Werk in den Vordergrund, da es mit einem Releasedatum wie Dienstag dem 17.12.2024 naturgemäß weniger Aufmerksamkeit erhält. Selbst hier trifft Darwin Deez die ungewöhnlichen Entscheidungen.

24.11.2024, Marco Puttkammer

Hörempfehlung:
Franc Moody - Dream In Colour


Wie klingt modernfunkneodiscosoulpophouse? Großartig!

Coverartwork Dream In Colour
Coverartwork Dream In Colour © Emma Dudlyke
  1. Dream in Colour
  2. Terra Firma
  3. Skin on Skin
  4. Charge Me Up
  5. Flesh and Blood
  6. Night Flight
  7. She’s Too Good for Me
  8. Grin and Bear It
  9. Night Flight Reprise
  10. This is a Mood
  11. A Little Something for the Weekend

Mit den Genrebezeichnungen ist das ja immer so eine Sache. Gibt es überhaupt noch neue Musik, die sich eindeutig einzelnen Genres zuschreiben lässt oder befinden wir uns nicht inzwischen musikalisch in der absoluten Genrefluidität? Um die Musik der Briten Ned Franc und Jon Moody exakt einordnen zu können bedarf es der Monsterkombination aus dem Titel und selbst das fühlt sich noch nicht richtig an.

Aber verlieren wir uns nicht weiter in solch Unwichtigkeiten und befassen wir uns lieber mit der Musik. Denn da gibt es einiges zu erzählen. Von dem unverschämten Groove, über die Bassriffs und -Licks der Marke „sexy“ bis hin zu der mit „Flanger“-Effekt bearbeiteten Oboe, die den Franc Moody-Sound so unverkennbar macht. Nicht nur auf ihrem Debutalbum, sondern generell. Egal ob Club, Live oder in den eigenen vier Wänden, egal ob man einfach nur tanzen möchte oder man sich in den dicht gelayerten Instrumentals verlieren möchte - Dream In Colour bietet alles. Klar, man sollte eine Vorliebe für elektronische Musik haben und bei dem weiten Genre Disco nicht sofort mit den Augen rollen, aber selbst für Andershörende bietet dieses Album beste Unterhaltung.

Wenn ihr mit Dream In Colour durch seid und dadurch nicht sowieso schon tief in den Groove gesogen wurdet, dann weiten wir diese Hörempfehlung gerne auf die vorangegangene EP Dance Moves und das Folgealbum Into The Ether aus. Und um das Ganze abzurunden, folgt noch die frohe Botschaft: das dritte Album Chewing The Fat erscheint bereits am 07.03.2025.

Shorts - Aktuelles auf einen Blick

Spannende aktuelle Releases

04.04. | Σtella - Adagio
11.04. | Bon Iver - SABLE, fABLE
18.04. | Beirut - A Study of Losses
18.04. | Tunde Adebimpe - Thee Black Boltz
25.04. | Viagra Boys - Viagr Aboys
02.05. | Press Club - To All The Ones That I Love
09.05. | The Amazons - 21st Century Fiction
06.06. | Pulp - More
11.06. | Wet Leg - Moisturizer
13.06. | Annahstasia - Tether
22.08. | TOPS - Bury The Key

KW 17-22/25 Playlist-Update: Fresh Fit

Balancing Act - Scar
Chitra - Big Shot
Franc Moody - Waiting For The Punchline (Swallertrip)
HAIM - Down to be wrong
Nation of Language - Inept Apollo
NoSo - Sugar
Sports Team - Boys These Days
Stamey, Chris; The Lemon Twigs - Anything Is Possible
TOPS - Chlorine
Winston, Charlie - Never Enough

KW 16/25 Playlist-Update: Fresh Fit

Beirut - Ghost Train
snuggle - Woman Lake
Tunde Adembimpe - The Most

KW 15/25 Playlist-Update: Fresh Fit

Big Sleep - Pick a Cheek
Bon Iver - There's A Rhythm
Cassia - everyone, outside
OK GO - Better Than This
Toxhards, The - Sleep Talking

KW 14/25 Playlist-Update: Fresh Fit

Dekker - Familiar Beat
JAWNY - Control
Herrenmagazin - Mit halbleeren Worten
Hives, The - Enough Is Enough
Wet Leg - catch these fists

KW 11-13/25 Playlist-Update: Fresh Fit

Dirty Nice - What I Wanna Hear
Dope Lemon - Sugar Cat
Ezra Joseph - When You're Gone
Little Comets - FUTURE IMPROVEMENT PLANS
Press Club - I Am Everything
Rions, The - Shut You Out
Yukno - Kein Abschiedssong

KW 10/25 Playlist-Update: Fresh Fit

Franc Moody - Square Pegs in Round Holes
Johann Zeijl - Follow The Moon
Munan - Fake Love Friday Night
Tullamarines, The - Running On Empty
Vulfpeck - Big Dipper

KW 09/25 Playlist-Update: Fresh Fit

Blossoms - Mariah Carey Through Death Valley
Little Comets - HIJKL
Odd Couple - Allein In Berlin
overpass - Slow

KW 08/25 Playlist-Update: Fresh Fit

Cassia - miles out
CVC - Bonnie & Clyde
Destruction of the Cult of the Sun, The - Afterglow
Sam Fender - Rein Me In
Saya Gray - PUDDLE ( OF ME )

KW 07/25 Playlist-Update: Fresh Fit

Amazons, The - Love Is A Dog From Hell
Beirut - Guericke's Unicorn
Findlay - Fishbowl
Saint Motel - Pick Me Up
Wombats, The - Gut-Punch